Die Geschichte der Orgel

Während die Geschichte großer, fest eingebauter Orgeln meist bekannt ist, verliert sich die Entstehung kleiner, tragbarer Orgeln, die auch Positive genannt werden (lat. ponere = setzen, stellen, legen) häufig im Dunkeln. So ist auch die genaue Erbauungsgeschichte des Silbermann-Positivs leider nicht bekannt. Als einzige historische Quelle gelten die Verzeichnisse über die Silbermann-Orgeln von Johann Gottfried Fischer, 1800 in den ,,Freyberger Gemeinnützigen Nachrichten" erschienen, sowie ein handschriftliches Verzeichnis von 1821, das sich im Heimatmuseum Frauenstein befindet.

Gottfried Silbermann, geb. 1683 bei Frauenstein, gest. 1753 in Dresden, entstammte einer berühmten Orgel- und Klavierbauerfamilie, er war Bruder und Schüler von Andreas Silbermann, der sich kurz nach 1700 als Orgelbaumeister in Straßburg niedergelassen hatte. Gottfried Silbermann baute als erstes größeres Werk die Große Orgel für den Dom in Freiberg, wo er fortan als Bürger wohnte und seine Werkstatt betrieb. Als churfürstlich-sächsischer und königlich-polnischer Hof- und Landorgelbauer konstruierte und errichtete er insgesamt 51 Orgeln, davon mindestens 22 zweimanualige und 4 dreimanualige (Freiberg: Dom; Dresden: Hofkirche und Frauenkirche; Zittau: St. Johannis). Die Klanggestaltung seiner Orgeln gilt auch heute noch als Richtschnur auf dem Gebiete des Orgelbaus, der Orgelmusik und der Interpretation.

Fachleute vermuteten bisher die Entstehung des Bremer Positivs Anfang der vierziger Jahre des 18. Jahrhunderts. Zwar deutete die Art des Schnitzwerks und seine Ausführung auf die dreißiger Jahre hin; aber erst nachdem bei der Restaurierung des Orgelgehäuses 1994 die überstrichene Jahreszahl ,,1734" entdeckt wurde, können wir mit Sicherheit davon ausgehen, daß die Orgel 1734 fertiggestellt war und möglicherweise kurz zuvor erbaut wurde. Ein ganz ähnliches Instrument in Ringethal, das zeitgleich entstanden sein dürfte, wurde für das 1735 errichtete Schloß erbaut.

Mit seiner anderswo nicht nachweisbaren dispositionellen Besonderheit, den Flöten zu 8 und 4 Fuß beide in Rohrflötenbauform, nimmt das achtregistrige Positiv eine besondere Stellung unter den Silbermann-lnstrumenten ein. Auch eine Sesquialtera (Terz 1 3/5 Fuß) findet sich bei den anderen erhaltenen Positiven nicht. Während der Restaurierung konnte nachgewiesen werden, daß Silbermann ursprünglich einen Tremulanten eingebaut hatte; eine Untersuchung der Orgel in Ringethal ergab daraufhin denselben Befund. In beiden Instrumenten waren außerdem die Enden der Klaviaturtasten mit Pergamentstreifen befestigt, sie steckten nicht, wie sonst bei Silbermann üblich, in einer genuteten Leiste. Die Orgel ist also nicht nur das am weitesten von Sachsen entfernte Werk Gottfried Silbermanns, sondern auch zugleich das interessanteste Positiv.

1796 baute der Dresdner Orgelbauer Carl Rudolf August Vensky ein Pedal mit Subbaß 16 Fuß und Oktavbaß 8 Fuß an. 1838 verkaufte die Gemeinde Etzdorf die Orgel wegen Abbruchs ihrer baufälligen Kirche der Gemeinde Wallroda bei Radeberg. 1902 wurde der Orgelbauer Eduard Berger von der Gemeinde Wallroda beauftragt, eine neue Orgel zu errichten. Um die Kosten zu senken, verwendete er für seinen Neubau die markantesten Register der alten Orgel, nämlich Rohrflöte 8 Fuß, Rohrflöte 4 Fuß, Octava 2 Fuß und die beiden Pedalregister von Venzky.

Eduard Berger nahm das Positiv mit nach Dresden. Er ersetzte die nun fehlenden drei Register. Durch diese Maßnahmen wurde die Intonation stark verändert. 1919 finden wir die Orgel im Eigentum von Frau Marianne Rüde in Dresden. 1939 stellte die Firma Wilhelm Sauer aus Frankfurt/Oder das Positiv im St. Petri-Dom in Bremen auf. 1991 machte der Orgelbaumeister Kristian Wegscheider aus Dresden die St. Petri-Domgemeinde darauf aufmerksam, daß sich drei Register ihrer Silbermann-Orgel in der Berger-Orgel in Wallroda bei Dresden befänden. Nach Prüfung der Orgeln in Wallroda und Bremen, reifte in der Gemeinde der Gedanke, sich um die Zusammenführung der Orgelregister zu bemühen.

Da die Wallrodaer Gemeinde einer Abgabe positiv gegenüberstand, wurden nun Verhandlungen mit der Evangelischen Landeskirche in Sachsen aufgenommen. 1992 entschied sich die Gemeinde in Wallroda nach einer Dorfbefragung, die drei Register zu verkaufen. Kristian Wegscheider übernahm nun die Rekonstruktion, indem er die 8 ursprünglichen Register wieder zusammenbrachte. Von den ursprünglichen 338 Pfeifen waren in Bremen noch 121 und in Wallroda 132 erhalten.

Bremen: Prinzipal 4 Fuß (43 Pfeifen), Nasat 3 Fuß (22 Pfeifen), Sesquialtera (4 Pfeifen), Quinta 1 1/2 Fuß (28 Pfeifen), Sifflöte 1 Fuß (24 Pfeifen)

Wallroda: Rohrflöte 8 Fuß (36 Pfeifen), Rohrflöte 4 Fuß (48 Pfeifen), Octava 2 Fuß (48 Pfeifen)

Die fehlenden Pfeifen wurden in Silbermannbauweise ergänzt. Das Pedal wurde entfernt.

zurück zur Silbermann-Seite